Wir alle haben nur eine begrenzte Zeit auf dieser Erde.
Wir sollten sie sinnvoll nutzen
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privates
Immenhagen Ich hatte meinen Großvater sehr gern. Es ist der Opa Franz aus Immenhagen. In diesem Dorf lag jeder Hof dem anderen fern; so konnte man sich gut vertragen. Doch unser Opa brauchte nicht die Ferne. Er war aus einem anderen Holz geschnitzt. Uns alle hatte er sehr gerne. Für uns hat er geschuftet und geschwitzt. Er war der Motor und das Steuerrad, der Sachwalter in allen wesentlichen Fragen und wenn ein Sturm etwas verwüstet hat, dann konnte Opa auch noch diese Last ertragen. Er konnte seine Liebe niemals offen zeigen. Darüber sprechen konnte er schon gar nicht. Viel leichter war mal hart die Meinung geigen, wenn einem mal was in der Hand zerbricht. Wie dem auch sei, man spürte immer wieder: Der Opa wollte stets für uns das Beste und einem solchen Opa singst man schönste Lieder und übersieht die unbequemen Reste. Er hatte seinen Bauernhof sehr gut gepflegt, wie seine Pferde Kälber, Gänse, oder Kühe. Die Ernten waren reich, die Saaten gut gehegt, denn Opa Gregel scheute keine Mühe. Wie glücklich wäre ich, wenn ich ihm danken könnte, aus heißem Herzen und ganz ungebunden. Doch ist die Möglichkeit, die das dem Enkel gönnte, durch Schicksalsschläge längst verschwunden. Die Oma kannte ich nur zufällig und flüchtig. Ihr hohes Alter fiel mir auf und ihre eingefallenen Wangen. Sie sah sehr zierlich aus und war nicht minder tüchtig, beim Kochen, Nähen, Stricken und beim Fliegen fangen. Sie muss sehr hübsch gewesen sein, in ihren besten, jugendlichen Jahren. Man sah es an dem anmutigen Widerschein, an ihrem zarten Blick und den gepflegten Haaren. Vier Kinder hatten Beide groß gezogen und Clara, Anna, Gustav, Emil, waren deren Namen. Nicht allen war das Schicksal auch gewogen, als sie in einer hasserfüllten Welt zum Leben kamen. Auf Clärchen wartete moderne Sklaverei, von einer anderen Art von Opa satt geschürt. Er lockte sie zuerst mit einem schön gefärbten Ei, - den Inhalt hat er für sich selbst gerührt. Sie starb mit einundvierzig Jahren. Sechs Kinder ließ sie auf der Welt zurück. Ihr Kummer wiegte sich in ihren grauen Haaren; in ihren Augen fand sich nicht die Spur von Glück.   Am besten schnitt noch Anna ab und ihre Tochter Erika ist deshalb zu beneiden. Ännchen nahm, was ihr das Leben gab, doch war auch dieses Nehmen sehr bescheiden. Die Beiden strahlen reine Güte aus, - Verbundenheit und menschliches Verstehen. Aus ihren Herzen fließt ein Strom von Wärme raus, der nicht zu kühlen ist, geschweige denn, zu übersehen. Emil hatte gar kein Glück. Der Krieg nahm ihm den letzten Hoffnungsschimmer. Er kam nicht mehr aus diesem Krieg zurück, - wem ging es da noch schlimmer!
Ich lernte Tante Hedwig kennen, die meist so einen Kochtopfdeckel schwang. Sie war wohl von dem Herd nicht mehr zu trennen, der ständig andere Melodien sang. Dazwischen surrten Fliegen, die nie ruh`n. In dieser Wärme fühlten sie sich wohl. So hatte Tante Hedwig alle Hände voll zu tun, sonst fand man diese Fliegen in der Milch, im Kohl. Hier war dann Tante Hedwig Herrscher und Minister, denn Oma war nicht mehr am Leben. Und Tante Hedwig kochte dann für Opa und Geschwister und ihr gefiel es auch, ihr Können preiszugeben. Für Onkel Gustav war das keine leichte Zeit. Er musste lernen, wie man alles richtig machte, denn eine solche Zeit war nicht mehr weit, wo Opa an die Übergabe seiner Wirtschaft dachte. Er flitzte hin und flitzte her und war dem Vater stets zur Hand, der immer öfter und auch immer mehr, die Freude an der guten Arbeit seines Sohnes fand. Aus Brachland schoss ein kleiner „Garten Eden“ auf, geformt von Gregels nimmermüden Händen. Vereinter Kräfte gut geführter Lauf kann vielen Menschen Glück und Wohlstand spenden. Wo Gregels Wirtschaft blühte und gedieh, da brauchte niemand Hunger leiden. Nicht nur die Menschen, sondern auch das liebe Vieh erfreute sich der satten grünen Weiden.   So lernte ich als Kind, wie man Verwandte achtet, zu denen man Vertrauen haben kann, denn einen Peiniger, der uns als Beutegut betrachtet, den traf man nur auf diesem so genannten Klastor an.   In Immenhagen hätte es so bleiben können. Doch zogen schwarze Wolken drohend auf. Als wollte es den Menschen gar nichts gönnen, nahm das Gewitter seinen unheilvollen Lauf.   Der Krieg hat alle Fundamente eingerissen. Wo einst ein reges Leben herrschte, steht nichts mehr. Selbst stumme Mauersteine wird man jetzt vermissen, bei einer neugierigen Wiederkehr.   So kann der Hass die Blicke trüben. Der Größenwahn peitscht die Gemüter auf. Solange schnöde Menschen die Vernichtung üben, hört dieser Wahnsinn niemals auf.   er Krieg zerriss die familiären Bande und viele unserer Lieben raffte er dahin. Wo findet man in dieser wutverkrampften Schande die Menschlichkeit und unseres Lebens Sinn?   Nun dürfen wir uns ungehindert wiedersehen: die Nachkommen der friedfertigen wunderbaren lecken. Wir lernten in der Fremde unseren Mann zu stehen. So brauchen wir uns nicht vor unseren Vorfahren verstecken. Die alte Zeit wird niemand mehr beweinen, denn unser aller Leben ist diskret geregelt. Und sollte es auch manchmal nicht so scheinen: Nach alter Sitte wird nicht mehr getotzekt und gegregelt.